TCM im Kampf gegen das Coronavirus
Angesichts der schnellen Ausbreitung des neuartigen Coronavirus COVID-19 stellt sich uns die Frage, was die Vertreter der TCM in China aktuell zur Behandlung und Prävention anwenden.
80 Prozent der Erkrankungen am neuen Coronavirus verlaufen eher leicht, die Patientinnen und Patienten haben nur milde Symptome. Besonders in diesen Fällen kann die Behandlung mit TCM-Arzneimitteln hilfreich sein, um die Selbstheilungskräfte zu stärken und die krankheitsauslösenden Ursachen einzudämmen.
Es gibt bereits viele Empfehlungen zur Behandlungsstrategie und viele Kräuterrezepturen gegen das Coronavirus von bekannten TCM-Meistern, Universitäten und Spitälern. Verschiedene chinesische Medien haben darüber berichtet. Besonders interessant und aussagekräftig ist ein Interview, erschienen in der Gesundheitszeitung Jian Kang Bao (健康报), mit Liu Qing-quan, einem leitenden Arzt eines nationalen TCM-Expertenteams. Bereits 2003 war er Mitglied einer Gruppe von Ärztinnen und Ärzten, die die Richtlinien für die TCM-Behandlung von SARS festlegten.
Liu Qing-quan ist am 21. Januar mit der ersten Delegation von TCM-Ärzten zur Bekämpfung des Coronavirus in Wuhan eingetroffen. Er führt im Interview aus, dass die vier zentralen Methoden der TCM-Diagnostik – Beobachten, Hören, Riechen und Befragen ‒ bei plötzlich ausbrechenden neuen Krankheiten von noch grösserer Bedeutung seien. Wichtig sei, dass man sofort ins Verbreitungsgebiet geht und Daten über die klinischen Symptome und den Krankheitsverlauf sammelt. Danach könnten die häufigen Syndrome differenziert und eine Behandlungsstrategie entwickelt werden.
Am ersten Tag wurden bereits über sechzig betroffene Patienten untersucht. Nach dem Sammeln einer grossen Menge Daten über Ursache, Mechanismus und Fortschreiten der Krankheit wurde eine Sitzung mit führenden Expertinnen und Experten einberufen. Anschliessend wurden die Erkenntnisse mit Vertretungen von Spitälern in Wuhan vertieft und dem Nationalen administrativen Büro für Chinesische Medizin übergeben. In Peking arbeitete dann eine zweite Diskussionsrunde von TCM Experten das aktuelle offizielle Behandlungsprotokoll aus. Dieses wird laufend weiterentwickelt und an neue Erkenntnisse angepasst.
Am zweiten Tag in Wuhan besuchte Liu Qing-quan verschiedene regionale Spitäler und tauschte sich mit den lokalen TCM-Ärzten über deren Erfahrungen aus. Es zeigte sich, dass die bisher vorgenommenen Behandlungen mit Phytotherapie effektiv waren, um den Krankheitsverlauf zu stabilisieren und Fieber zu senken. Mittlerweile wurden weitere TCM-Spezialisten von Peking nach Wuhan eingeflogen.
Liu Qing-quan erkennt Feuchtigkeits-Toxine als Ursache der epidemischen Erkrankung am Coronavirus COVID-19. In den ersten Tagen der Krankheit zeigt sich bei einem Teil der Patienten mildes Fieber, während andere kein Fieber haben, aber Schwerfälligkeit, Müdigkeit, Übelkeit, Völlegefühl in der Brust und weichen Stuhl. Praktisch alle Patienten klagen über einen trockenen und schmerzenden Hals und manche über trockenen Husten mit wenig Schleim. Nach etwa sieben Tagen unter TCM-Behandlung beginnt bei den meisten Patienten die Erholungsphase. Wenn aber nach zwei bis drei Tagen die Temperatur plötzlich auf über 39° C steigt, folgt eine schwerere Phase der Krankheit mit Atemnot, unzureichender Sauerstoffzufuhr und Pleuraerguss.
Patienten mit Pneumonie durch das Coronavirus zeigen fast immer einen dicken, schleimigen, weissen oder gelben Zungenbelag. Das Klima in Wuhan ist regnerisch, feucht und kalt. Im Winter sind die Temperaturen nicht sehr tief, aber es gibt wenig Sonnenlicht. Diese Faktoren und die Befunde der Zungen- und Pulsdiagnosen ergeben, dass die Ursache dieser Krankheit primär Feuchtigkeit ist. Feuchtigkeit behindert die Milz und blockiert die Lunge, die auf- und absteigende Qi-Funktion versagt, und Feuchtigkeits-Toxine transformieren sich in Hitze. Fülle im Yangming, Feuchtigkeits-Toxine und stagnierte Hitze werden eingeschlossen und die steigende Hitze führt zu starken irregulären Qi-Bewegungen.
Wo immer Fälle von Coronavirus-Erkrankungen vorkommen, ist das Klima in die Diagnose einzubeziehen. Die Ursache können auch feuchte Kälte, feuchte Hitze oder nur Feuchtigkeit sein. Bei allen Coronavirus-Patienten wird das Feuchtigkeits-Toxin aber immer das zentrale Problem sein.
Die TCM-Behandlung fokussiert auf die Auflösung von Feuchtigkeit im frühen Krankheitsstadium, um die Einschliessung und die Transformierung in Yangming-Hitze zu vermeiden. Passiert dies doch, kann es leicht zu toxischer Hitze und Stagnation kommen, was wiederum die Fliessrichtung des Qi umkehren kann. Diese Situation kann in Anzeichen von Multiorganversagen (multi organ dysfunction syndrome, MODS) ausarten.
In schweren Fällen, in denen die Patienten bereits am Beatmungsgerät waren, konnte Liu Qing-quan feststellen, dass der Bereich von Bauch und Brust sich bei Palpation immer heiss anfühlte, während die Extremitäten kalt waren. Das ist ein Symptom von Sepsis.
Ein Schlüsselfaktor in der TCM-Behandlung des Coronavirus besteht also darin, in einer frühen Phase die Feuchtigkeit und Trübheit zu lösen und den Stuhlgang zu befreien. Bei der Wahl der Kräuter ist es wichtig, Feuchtigkeits-Toxine, die sich in Hitze transformieren, nicht mit Hitze-Toxinen mit Feuchtigkeit zu verwechseln. Die Hauptursache der Erkrankung am Coronavirus sind Feuchtigkeits-Toxine. Man sollte also nicht zu früh Hitze klären, sondern sich auf die Auflösung von Trübheit mit aromatischen Kräutern konzentrieren, um nach aussen zu klären und das Auf- und Absteigen von Milz und Magen zu unterstützen. Ist die Feuchtigkeit geklärt, kann die Hitze sich zerstreuen und neue Toxizität kann sich nicht mehr bilden. So schwächen sich die Symptome allmählich ab.
Liu Qing-quan nennt folgende Rezepturen zur Behandlung des Coronavirus (Dosierungen nach Chen & Chen)